1. Mehr Honorar und mehr soziale Absicherung seit 1.8.2022
Seit dem 1.8.2022 ist die neue Ausführungsvorschrift (AV) VHS Honorare in Kraft, die aus einem Text und einer Tabelle besteht.
Sie ist das Ergebnis von Gesprächen im Frühjahr 2021. Dabei trafen sich eine Delegation der Berliner VHS-Dozent:innen-Vertretung und ver.di auf mit Vertreter:innen des Berliner Senats aus den Verwaltungen für Finanzen und für Bildung auf Regierungsseite. Erreicht wurden Honorar-Erhöhungen für alle sowie mehr soziale Absicherung für arbeitnehmerähnliche VHS-Dozent:innen.
Arbeitnehmerähnlichkeit: Sie gilt, wenn freiberufliche Dozent:innen als von der VHS wirtschaftlich abhängig sind, weil sie dort mindestens 50 Prozent ihres Einkommens erwirtschaften oder mindestens 13 UE (mit Vor- und Nachbereitung sind es 19,5 Zeitstunden) für die VHS arbeiten. Sie erhalten Zuschläge aufs Honorar: Urlaubsentgelt sowie Zuschläge zur Renten- und Krankenversicherung.
Grundlage hierfür war der Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün 2016, auch die entsprechende Regierungserklärung von 2017, laut dem der Senat mehr soziale Sicherheit für VHS-Dozent:innen schaffen wollte. Darauf konnten wir uns berufen.
Dennoch gab es auf Regierungsseite diverse Hindernisse und einen Stillstand, so dass wir erneut mit ver.di aktiv werden mussten. Schließlich wurde die Einigung mit dem Senat möglich durch die intensiven Aktionen zur sozialen Absicherung, zu denen die Berliner VHS-Dozent:innenvertretung mit der Unterstützung von ver.di im Winter 2021 aufgerufen hat, durch die vielfache Mitwirkung von unseren VHS-Kolleg:innen sowie durch den großartigen Einsatz der bildungspolitischen Sprecherinnen aus den drei Regierungsfraktionen von Rot-Rot-Grün im Berliner Abgeordnetenhaus. Danke an alle!
A. Verbesserungen für alle Berliner VHS-Dozent:innen ab 2022
– Honorar-Erhöhung für Sprachunterricht: ab 1.8.22 – 39,14 € , ab 1.8.23 – 41 € pro Unterrichtseinheit (UE). Eine UE bedeutet 45 Minuten Unterricht und 45 Minuten Vor- und Nachbereitung.
Das betrifft alle Sprachdozent:innen sowie die VHS-Honorarlehrkräfte, deren Lehrtätigkeit eine akademische Ausbildung voraussetzt (Honorargruppe 1.2). Alle Honorare in anderen VHS-Honorargruppen werden prozentual ebenso erhöht. Die Zuschüsse für die Arbeitnehmerähnlichen werden entsprechend angehoben.
Für Kurse, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) finanziert werden: Mit dem Trägerrundschreiben 15/22 erhöht das BAMF die Vergütung der Dozent:innen in Integrations- und Berufssprachkursen ab dem 1.8.2022 auf 42,23 Euro pro UE.
An den Berliner Volkshochschulen erhalten nur die BAMF-Kursdozent:innen, die nicht arbeitnehmerähnlich sind, dieses Honorar. Die arbeitnehmerähnlichen Berliner Dozent:innen erhalten das oben genannte geringere Basishonorar plus Zuschüsse. Mit den Zuschüssen (Urlaubsentgelt und Sozialversicherung) würden sie bereits mehr als die vom BAMF geforderten 42,23 € pro UE verdienen, argumentiert der Senat. Wir sehen das anders. Auf die 42,23 € als Basishonorar müssten unseres Erachtens in BAMF-Kursen die Zuschüsse für Arbeitnehmerähnliche kommen.
– Honorar bei Prüfungen
ab 1.8.22 – 32,62 € pro Zeitstunde, ab 1.8.23 – 34,17 € pro Zeitstunde (60 Minuten).
Neu: Damit werden die Prüfungen nach Zeit und nicht mehr nach Anzahl der Kandidat:innen vergütet.
Neu: Der Zeitaufwand wird auch in den Anspruch auf Arbeitnehmerähnlichkeit einbezogen.
– Honorar bei von der VHS veranlassten Konferenzen
Pro Sitzung: ab 1.8.22 – 28 €, ab 1.8.23 – 30 €
– Honorar für Gespräche der Kursleitenden-Vertretung mit der VHS-Leitung
Aufwandsentschädigung für das Treffen für jede:n Kursleitende:n – 31 €.
B. Mehr soziale Absicherung für Arbeitnehmerähnliche (LINK) ab 2022
– Bessere Zahlung im Krankheitsfall und (neu) bei Reha
Auf Antrag 90 Prozent Ausfallzahlung, zwei unbezahlte Karenztage. Jetzt auch bei mehreren verschiedenen Krankschreibungen im Jahr. Für dieselbe Krankheit kann das Ausfallhonorar wieder gewährt werden, wenn die erneute Leistungsunfähigkeit mindestens sechs Monate später eintritt. Neu: Die Regelung gilt auch für Reha-Maßnahmen.
Als unbezahlte Karenztage gelten auch Samstage, Sonntage, Feiertage und andere unterrichtsfreie Tage. Aber die Ausfallzahlung ab dem 3. Krankheitstag wird nur bezahlt, wenn tatsächlich Unterricht ausfällt.
Eigene Nachholtermine nach Krankheit müssen mit dem üblichen Honorar bezahlt werden. Link
– Zuschüsse zur Pflegeversicherung (neu)
Hälftige Zuschüsse auch zur Pflegeversicherung.
– Mutterschutz (neu)
Auf Antrag pauschaler Zuschuss für den Zeitraum von bis zu sechs Wochen vor und acht Wochen nach dem Entbindungstag. Zuschuss 26 € pro Tag, maximal 2574 €.
– Weiterbeschäftigung nach Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit (neu)
„Die Volkshochschule prüft auf Antrag (…) eine Wiederbeauftragung nach Nichtbeschäftigung infolge von Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit oder Pflege naher Angehöriger mit dem Ziel, eine Wiederbeauftragung zu vereinbaren, sofern keine triftigen Gründe dagegen sprechen. Kann eine Wiederbeauftragung nicht erfolgen, ist dies schriftlich unter Angabe des Grundes mitzuteilen.“ (AV Honorare VHS 2022)
– Mehr Urlaubsanspruch
23 Tage (statt bisher 20 Tage).
– Mehr Ausfallzahlung bei Kursausfall
Zehn Prozent des Kurshonorars. Bei Folgemodulen nur zwei UE. Bisher immer nur zwei UE.
– Bildungszeit
Gemäß dem Berliner Bildungszeitgesetz haben arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeitende einen Anspruch auf Bildungszeit. Die Bildungszeit kann nun auch zu Zeiten ohne tatsächliche Leistungsverpflichtung genommen werden.
– Unfallversicherung (neu)
Auf Antrag freiwilliger pauschaler Zuschuss des Landes Berlin von bis zu 130 EUR pro Kalenderjahr.
– Vertragsgestaltung (teilweise neu)
a- Rahmenvertrag
Neu geschaffen wird ein Rahmenvertrag mit Dozent:innen, die mehr als einmal im Kalenderjahr an der VHS eine Beauftragung erhalten. Der Rahmenvertrag ist schriftlich zu schließen und gilt ohne Befristung. Aber der Rahmenvertrag ist derzeit nach unserer Einschätzung eine leere Hülle, die mit mehr Absicherung gefüllt werden sollte.
b- Honorarverträge/Einzelaufträge
Ausschlaggebend für Beschäftigung und Honorar sind die konkreten Einzelaufträge. Sie sollen in Textform oder schriftlich geschlossen werden, aber auch ein mündlich vereinbarter Einzelauftrag gilt. Der Einzelauftrag soll vor Veröffentlichung der Veranstaltung geschlossen werden.
2. Nachverhandlungen mit Berliner Senat 2023 verabredet
u.a. über mehr Urlaubstage und eine höhere Ausfallzahlung bei Kursverlust.
Personalvertretung: Hier gibt es eine „Bemühenszusage“ des Senats für die Einbeziehung der arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeitenden des Landes ins Berliner Personalvertretungsgesetz, wie zum Beispiel in NRW.
3. Berliner Erwachsenenbildungsgesetz (EBiG) 2021
https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-ErwBiGBErahmen
2021 wurde das Berliner Erwachsenenbildungsgesetz verabschiedet. Im Gesetzgebungsverfahren wurden wir als Berliner VHS-Dozent:innen-Vertretung sowie ver.di um Stellungnahmen gebeten.
Verbesserungen für Dozent:innen durch das Gesetz
1 Neu: An jeder der zwölf Berliner Volkshochschulen wird erstmals eine Kursleitenden(KL)-Vertretung gesetzlich institutionalisiert.
Bisher agierten VHS-Kursleitenden-Vertretungen (KL-Vertretungen) an ihrer VHS in einer Grauzone. Sie wurden je nach VHS akzeptiert, toleriert, diskriminiert. Mancherorts gab es keine. Im Gesetz wurde festgelegt:
– Die Volkshochschule ermöglicht die Wahlversammlung, jedes Jahr oder alle zwei Jahre. In der Regel besteht die KL-Vertretung aus fünf Mitgliedern.
– Aufgabe der KL-Vertretung ist es, die Interessen der frei- und nebenberuflichen Mitarbeitenden zu vertreten. Dazu führt sie regelmäßig, mindestens zweimal im Jahr, Gespräche mit der Leitung der Volkshochschule.
– Bei einer Honorarvertragskündigung durch die Volkshochschule hat die Leitung der Volkshochschule auf Wunsch der von der Kündigung betroffenen Person oder Personen die KL-Vertretung anzuhören.
– Für die Tätigkeit als KL-Vertretung kann die Volkshochschule eine Aufwandsentschädigung zahlen. Laut Honorartabelle: 31 € pro Sitzung und KL mit der Leitung.
– Die KL-Vertretung kann Stellungnahmen volkshochschulintern veröffentlichen.
– „Insbesondere in übergreifenden Fragen können die Kursleitenden-Vertretungen berlinweit zusammenarbeiten.“ (EBiG)
Die Art der Zusammenarbeit wurde in Vernetzungstreffen der Berliner KL-Vertretungen verabredet. Sie findet statt durch die landesweit agierende Berliner VHS-Dozent:innen-Vertretung, die jährlich auf einer Dozent:innen-Vollversammlung gewählt wird, sowie bei zusätzlichen Vernetzungstreffen der zwölf bezirklichen Kursleitenden-Vertretungen.
2 Erwachsenenbildungsbeirat
Hier stellen die Berliner VHS-Kursleitenden-Vertretungen ein Mitglied. Der Beirat bespricht alle Fragen rund um die Erwachsenenbildung, ist bei allen Themen der Erwachsenenbildung anzuhören, kann Vorschläge machen und berät den für Erwachsenenbildung zuständigen Senat. Vertreten sind u.a. zahlreiche Organisationen der Erwachsenenbildung, der DGB sowie Mitglieder des Bildungsausschusses des Abgeordnetenhauses und des Berliner Senats.
4. Historie ab 2008
2008 hatten die Berliner Volkshochdozent:innen einen Tiefpunkt. Seit 1991 – 17 Jahre lang – waren die Honorare nicht erhöht worden, während in diesem Zeitraum die Lebenshaltungskosten um 40 Prozent stiegen. Das Honorar für Sprachunterricht lag bei 21,50 € pro Unterrichtseinheit (UE). Eine UE bedeutet 45 Minuten Unterricht und 45 Minuten Vor- und Nachbereitung. Bei einer Lehrervollzeitbeschäftigung mit 26 UE pro Woche erhielten akademisch ausgebildete Dozent:innen etwa 1300 € pro Monat netto.
Viele gingen bedrückt durch ihr Berufsleben, manche beantragten in den VHS-Ferien beim Amt Hilfen zum Lebensunterhalt. Bei Husten, Fieber, Heiserkeit, nach Bandscheibenvorfall oder Hüft-OP schleppten sie sich zur Arbeit. Trotzdem empfanden viele ihren Beruf als sinnvoll – angesichts des großen Zuspruchs von Kursteilnehmer:innen. Die Lernenden haben der Berliner VHS-Dozent:innenvertretung geholfen, um die Hoffnung nicht aufzugeben.
1992 – vor dem Einfrieren der Honorare – lagen die Berliner VHS-Honorare auf dem Niveau des damaligen BAT (Bundesangestelltentarif) Vergütungsgruppe III und entsprachen der Bezahlung von angestellten Lehrer:innen. Ein guter Anknüpfungspunkt für unsere Forderungen.
Arbeitnehmerähnlichkeit
Positiv aber ist schon damals die seit den 1970er Jahren im Land Berlin vorhandene Anerkennung der Arbeitnehmerähnlichkeit. Sie gilt, wenn freiberufliche Dozent:innen als von der VHS wirtschaftlich abhängig sind, weil sie dort mindestens 50 Prozent ihres Einkommens erwirtschaften oder mindestens 13 UE (mit Vor- und Nachbereitung sind es 19,5 Zeitstunden) für die VHS arbeiten. Sie erhalten Zuschläge aufs Honorar: Urlaubsentgelt sowie Zuschläge zur Renten- und Krankenversicherung.
Damals waren es etwa 600 anerkannte arbeitnehmerähnliche Kolleg:innen an den zwölf Berliner Volkshochschulen – von etwa 3000 Berliner VHS-Kursleitenden insgesamt. Heute liegen die Zahlen höher. Von etwa 4.000 freiberuflichen Dozent:innen haben etwa 900 einen arbeitnehmerähnlichen Status. Diese Arbeitnehmerähnlichen leisten rund 63 Prozent des Berliner VHS-Unterrichts.
5. Wichtige Verbesserungen 2009-2019
Seit 2009 hat die Berliner VHS-Dozent:innen-Vertretung gemeinsam mit der Gewerkschaft ver.di viel erreicht. Nicht aufgeben, freundlich im Ton, klar in der Sache – das war unsere Devise im Team bei gefühlt 1000 Aktionen, Gesprächen, Briefen, Veranstaltungen. Gestützt von ver.di machten wir 2 Umfragen zu den Forderungen unserer Kolleg:innen und eine erfolgreiche Kampagne zum Gewerkschaftseintritt. Und schließlich erhielten wir große Unterstützung aus der Berliner Landespolitik.
– Honorar-Erhöhung von 6 Prozent 2009
– Dynamisierung der Honorare seit 2012
Die VHS-Honorare sind seitdem an die jährlichen Erhöhungen der Angestellten des Öffentlichen Dienstes im Land Berlin (TV-Länder) gekoppelt. Diese Erhöhungen werden von den Beschäftigten erkämpft und in Tarifgesprächen durch die Gewerkschaften festgelegt.
– Ausfallzahlung bei Krankheit 2014
Für arbeitnehmerähnliche Dozent:innen: Zahlung von 80 Prozent Ausfallhonorar bei drei unbezahlten Karenztagen. Die Ausfallzahlung galt aber nur für maximal sechs Wochen im Jahr, auch bei mehrfachen Krankschreibungen.
– Erhöhung des Honorars für Sprachunterricht auf 35 Euro 2019
Unterrichtshonorar für Sprachunterricht (Deutsch und Fremdsprachen) 35 € pro UE. Das gilt auch für alle Dozent:innen der Honorargruppe 1.2. mit der Voraussetzung: abgeschlossene wissenschaftliche Hochschulausbildung oder gleichwertige Kenntnisse, unabhängig davon, ob jemand arbeitnehmerähnlich ist oder nicht.
Das entsprach einer Erhöhung von etwa 27 Prozent. Berliner VHS-Lehrende in allen Programmbereichen und Honorargruppen erhielten diese prozentuale Erhöhung. In den Folgejahren sorgte die Dynamisierung weiter für höhere Honorare.
Die Anträge zur Arbeitnehmerähnlichkeit, die Rundschreiben der Senatsverwaltung für Finanzen über die Feststellung der Arbeitnehmerähnlichkeit und über die Antragstermine für die Arbeitnehmerähnlichkeit findet ihr hier.
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